Spaziergang documenta fifteen, kassel | 30.06.2022

 

Sprecher Hans-Dieter Müller begrüßte am 30.06.2022 um 17 Uhr 42 Mitglieder und Gäste, die sich im ruruHaus getroffen hatten, um erste Eindrücke von der documenta fifteen zu gewinnen. 

Er begrüßte herzlich die Generaldirektorin der documenta gGmbH, Frau Dr. Sabine Schormann und deren Eventmitarbeiterin Frau Priya Kandhari, die uns bei der Organisation und Durchführung tatkräftig unterstützt hatte.

Er dankte Frau Dr. Schormann, die sich bereit erklärt hatte, einführende Worte zu sprechen, denn angesichts der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem abgehängten Bild von Taring Padi war dies keine Selbstverständlichkeit.

Aus seiner persönlichen Sicht betonte Müller, dass Antisemitismus selbstverständlich so weit wie möglich zu unterbinden ist. Er betonte, dass die teilweise grenzwertige Berichterstattung mit drastischen Formulierungen zwar durch die Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist – zweier Grundpfeiler unserer Demokratie – dass es aber gilt, die Grenzen zu erkennen und zu respektieren, die sich aus unserer Rechtsordnung ergeben. Das gilt auch für die Kunstfreiheit.

Er kritisierte die populistische Art von Medien, Herrn Schuster, Frau Claudia Roth und Frau Angela Dorn, und die Art wie die documenta teilweise grundsätzlich in Frage gestellt wird. Vor allem seien die Forderungen verfehlt, dass einige Persönlichkeiten, speziell Frau Dr. Schormann, ihre Posten räumen müssten.

Diesen Personen im Nachhinein vorzuwerfen, sie hätten vorab auf die einzuladenden Künstler und deren Arbeit Einfluss nehmen müssen, sei völlig verfehlt. Das wäre eine unzulässige Zensur, die völlig zu Recht einen Proteststurm ausgelöst hätte, denn diese Bevormundung der Künstler steht im krassen Widerspruch zu den Regeln des Kunstbetriebs und insbesondere dem Geist der documenta.

Fest steht, dass die rote Linie überschritten wurde – dass aber darauf rechtskonform reagiert wurde.

Damit müsse es erst einmal genug sein. Dass eine Nachbearbeitung der Problematik unter Beteiligung aller Betroffenen nötig ist, sei unumgänglich.

Frau Dr. Schormann schilderte den Entscheidungsprozess der Findungskommission und erläuterte die Gedanken, die zur Auswahl des indonesischen Kollektivs Ruangrupa als künstlerische Leitung geführt hatten. Der „globale Süden“ wurde bewusst ausgewählt. Ruangrupa war an mehreren renommierten Kunstbiennalen beteiligt. Sie erklärte, was das Lumbung- Konzept bedeutet (Ressourcen-Teilung) - vor allem vor dem Hintergrund, dass die Kuratoren aus einem völlig anderen Kulturkreis stammen, wo auch die Einstellung zu Israel eine völlig andere ist, als bei uns. Dass das Kuratoren-Kollektiv andere Kollektive berufen durfte und diese wiederum andere Kollektive beriefen, führt dazu, dass insgesamt rund 1500 Künstler an der documenta mitwirken. Dass dabei laufende Prozesse von Arbeiten, die sich in den 100 Tagen mit offenem Ergebnis entwickeln, angestrebt sind, sei ein Grundgedanke der Beteiligten. Problemlösungen werden gefunden, indem man so lange diskutiert, bis man einig ist. Nonkrong („Herumhängen“) sei ein Merkmal der Arbeitsweise. Insofern sei die documenta fifteen deutlich anders, als die gewohnten klassischen Ausstellungen. Ruangrupa wolle durchaus die Regeln des westlichen Kunstmarkts in Frage stellen. Es gäbe aber auch jede Menge greifbare Kunst im konventionellen Sinne.

Im Hinblick auf die inzwischen abgehängte Arbeit des Kollektivs von Taring Padi, die erst kurz nach der Eröffnung sichtbar wurde, betonte sie, was  sie beinhaltet und dass rasch und konsequent darauf reagiert wurde. Auf eine Nachfrage aus unserem Kreis, dass das Bild schon seit mehr als 20 Jahren weltweit mehrfach gezeigt wurde, ohne dass es Proteste gab, erklärte sie, dass eben gerade bei uns das Thema Antisemitismus besonders sensibel zu behandeln ist.

Danach wurden wir in 3 Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe wurde von einem Sobat (Freund*in – Gästeführer*in) an ausgewählte Orte geführt.

Das ruruHaus war einer der Orte, längere Zeit verbrachte man vor den Säulen des Fridericianums, die der rumänische Künstler Dan Perjovschi humorvoll, aber mit ernstem Hintergrund gestaltet hat. Im Inneren des Fridericianums gab es dann eher konventionelle Kunst, vor allem die Arbeiten, die sich mit den Roma beschäftigten, u.a. die Wandteppiche von Malgorzata Mirga-Tas und das monumentale Bild von Támas Péli. Aber auch das „Arbeitszimmer“ von Ruangrupa mit dem riesigen Banner, das den Arbeitsprozess deutlich macht.

In der Documentahalle dann die beeindruckende Arbeit mit den Wellblechwänden von Waijukuu, die die Slums von Nairobi nachempfinden lässt und die Arbeit von Ngugi Waweru, die die Risiken in der Leistungsgesellschaft verdeutlicht. Dass dann noch eine Druckerei in Betrieb ist und die Skaterbahn von Baan Noorg lautstark im Hintergrund zu hören ist, rundet das Bild durch Projekte, die im Gang sind, ab.

Per Taxi ging es dann in das Hallenbad Ost, das vollständig von Taring Padi „bespielt“ wird mit Bildern, zu denen man gerne mehr Details gehört hätte.

Um 20 Uhr endeten dann die Führungen und man setzte sich am Hallenbad Ost noch in den Biergarten, um das Gesehene zu diskutieren und den Abend ausklingen zu lassen. Per Taxi ging es zurück zu den Autos in der Innenstadt.